Zurück zur Übersicht

Don Gabriel und CH-Stockfischmentalität

#VERSCHIEDENES #ZIGARREN 25. Mai 2005

Aunque también soy suizo, me extraña a veces la mentalidad suiza. Aficionados o comerciantes del extranjero a menudo me envían correo por mail, me mandan preguntas, consejos, pedidas o cosas similares. Y esto, aunque tienen que traducir primero los textos de Cigar Blog al inglés ( o a otro idioma) – con resultado a veces más bien divertido. Pero recibo muy pocas veces correo por mail de parte de suizos. No es que esto me moleste, pero la diferencia de mentalidad es sorprendente.

Recientemente me contactó Don Gabriel, uno de los comerciantes europeos de cigarros más exitosos: Un contacto muy interesante y de todas formas un sitio (site) muy diverso, multilingüe e interesante que podría pasar por sitio modelo…..


Und auf Deutsch:

Obwohl selber Schweizer, erstaunt die spezifische Mentalität bisweilen. Häufig mailen Aficionados oder Händler aus dem Ausland, fragen, geben Tipps, bitten um Erwähnung oder was auch immer. Und das, obwohl sie die Texte des Cigar Blog – mit teilweise eher belustigendem Resultat – zuerst ins Englische (oder was auch immer) übersetzen müssen. Mails von Schweizer Absendern sind demgegenüber äusserst selten. Nicht, dass mich das stören würde, frappant ist der Mentalitätsunterschied aber schon.

Kürzlich hat sich einer der erfolgreichsten Europäischen Zigarrenhändler, Don Gabriel, gemeldet. Ein sehr spannender Kontakt und eine vielfältige, mehrsprachige, sehr interessante Site ohnehin. Sie ginge glatt als Musterbeispiel durch ;-

Ps. Zur Schweizer Mentalität (ich bin gerne Schweizer) lieferte Spiegel Online heute einen brandheiss passenden Text:

«Erlaubt ist, was nicht stört!»

Von Henryk M. Broder

In der Schweiz, Europas Puppenhaus, ist alles perfekt organisiert. Die Züge fahren pünktlich, Sozialhilfebezieher nehmen am gesellschaftlichen Leben teil, und Rentner bekommen im Pornokino Rabatt. Dafür kostet eine Laugenbrezel über vier Franken.
Ich fahre gerne in die Schweiz. Man überquert eine richtige Grenze, muss seinen Pass vorzeigen und wird gefragt, ob man etwas zu verzollen hat. Drüben sieht es dann wie in einem Puppenhaus aus, das täglich aufgeräumt wird, der Lärmpegel liegt bei 50 Prozent dessen, was man von Berlin gewohnt ist, und sogar die Abfalleimer sehen so makellos aus, dass man sich nicht traut, sie zu benutzen.

Das Land ist klein, mit 41.000 Quadratkilometern kleiner als Niedersachsen, wirkt aber viel größer, weil es bergig und verwinkelt ist. Man braucht also mehr Zeit, um von einem Ort zum anderen zu kommen. Dafür ist das Bahnsystem großartig, das dichteste in Europa. Im Gegensatz zu Deutschland fahren die Züge pünktlich, die Anschlüsse stimmen, und weil keine Nebenstrecken stillgelegt wurden, kommt man fast überall auf der Schiene hin.

Wahlen sind eigentlich überflüssig

Mit nur sieben Millionen Einwohnern – doppelt so viele wie in Berlin, davon eine Million Ausländer – gehört die Schweiz zu den reichsten Ländern der Welt, dabei wird die «Confoederatio Helvetica» sehr sparsam und effizient gemanagt.

Die Regierung besteht aus sieben «Bundesräten», die kollektiv regieren, es gibt kein formales Staatsoberhaupt, nicht einmal einen Regierungschef. Und weil sich die Zusammensetzung des Bundesrates praktisch nicht ändert, sind Wahlen eigentlich überflüssig, finden aber trotzdem alle vier Jahre statt.

Zurzeit debattieren die Schweizer über einen Beitritt zum Schengener-Abkommen. Ein «Schweizerisches Aktionskomitee gegen den Schengen-EU-Beitritt» wirbt landesweit mit einem Plakat im Comic-Stil, das einen Mann zeigt, der sich entsetzt an den Kopf fasst: «Sicherheit verlieren? Arbeit verlieren? Schengen Nein» Natürlich gibt es eine Gegeninitiative, die mit einem Plakat wirbt, das mehr Sicherheit verspricht. Was in der Schweiz schon als eine heftige Kontroverse gilt, wäre in der Bundesrepublik eine Schmusestunde am frühen Nachmittag bei der Augsburger Puppenkiste mit Jürgen Fliege als Stargast.

Das Schweizer Harmoniebedürfnis ist so stark entwickelt, dass selbst harmlose Animositäten mit Unverständnis quittiert werden. «Willkommen im Hotel Kindli», sagt die Frau an der Rezeption, «Roger Willemsen wohnt auch bei uns.» Ich sage, dass ich ein Zimmer haben möchte, das weit weg von Willemsens Zimmer liegt, wenn möglich am anderen Ende des Ganges, lieber noch in einem anderen Stock, am liebsten in einem anderen Gebäude. Und dass ich gerne das Frühstück in meinem Zimmer nehmen möchte. «Wieso?», fragt die Frau in der Rezeption, «mögen Sie ihn nicht?» Nein, sage ich, ich möchte ihm den Tag nicht verderben. «Ach so», sagt die Frau in der Rezeption, «das konnte ich nicht wissen.»

Schwarzfahren ist so wie Hochverrat

Im Regionalzug von St. Gallen nach Heerbrugg steigt im letzten Moment eine ältere Frau ein, setzt sich atemlos hin und fängt an zu klagen. Sie habe wirklich keine Zeit gehabt, ein «Billet» zu kaufen, so etwas sei ihr noch nie passiert, es werde auch nie wieder passieren, nur dieses eine Mal… Als der Schaffner kommt, greift sie in ihre Handtasche, holt die Geldbörse raus und hält sie dem Mann entgegen, er solle sich bedienen, bitte, bitte! Ich rechne damit, dass sie jeden Moment auf die Knie fällt und ihm anbietet, am Ende der Fahrt alle Waggons zu putzen.

Schwarzfahren in der Schweiz wäre so etwas wie Hochverrat in jedem anderen Land. Dabei kostet eine Kurzstreckenkarte für die Zürcher Straßenbahn 2,40 Franken, das sind 1,60 Euro. Und wenn ein Fahrkarten-Automat mal nicht funktioniert, was sogar in der Schweiz vorkommt, dann gehen die Menschen zu Fuß zur nächsten Haltstelle. Andererseits: Das offizielle Motto der Stadt Zürich lautet: «Erlaubt ist, was nicht stört». Es steht auf jeder Parkbank. Und im «HanfHaus» in der Niederdorfstraße kann man nicht nur Hemden, Hosen und Mützen aus Hanf kaufen, sondern auch «Vollmilchschokolade mit Hanf», «Cannabis Pastilles» mit Honig und «Zierhanf»-Topfpflanzen zu zehn Franken das Stück.

Für Einsteiger gibt es das «Kiffer-Lexikon», das ultimative ABC der Hanfkultur, aus dem Nachtschatten-Verlag. Es kostet nur 16 Franken (10 Euro), einen Franken mehr als der Eintritt im Kino Stüssihof im «Haus zur Linde», wo die Schweizer auf den Beitritt zur EU vorbereitet werden. Der aktuelle Film heißt «Euro-Busen» und handelt von vier jungen Damen, die es mit der Vereinigung sehr ernst meinen. Inhaber von AHV-, IV- und Legi-Karten zahlen nur 13 Franken Eintritt. AHV bedeutet Alters- und Hinterlassenen-Versicherung, IV steht für Invaliden und Legi für «Legitimation», das heißt Studentenausweise. Und das bedeutet: Rentner, Behinderte und Studierende bekommen in allen Zürcher Pornokinos Nachlass.

Hochpreisland in gnadenloser Konsequenz

Ansonsten freilich ist die Schweiz ein Hochpreisland und das mit einer Konsequenz, die gnadenlos ist. Eine Laugenbrezel kostet 4,20 Franken, ein Tellergericht bei einem China-Imbiss («Sweet and sour pork with rice») 19,50 Franken. Dabei ist das noch «sehr günstig», sagt ein Gast, «die haben die Preise seit zehn Jahren nicht erhöht».

Im Café Schober, wo es die besten Kuchen der Stadt gibt, zahlt man für das «Healthy Line»-Frühstück 18 Franken. Dafür bekommt man «1 kl. Yoghurt light mit Früchten, 1 Vollkorn Brötchen, 1 Portion Käse, 1 Portion Cafe, Tee oder Chocolade». Ich bestelle zuerst ein Millefeuilles (6,20 Franken), danach eine Schnitte Gugelhopf (ebenfalls 6,20), dazu einen Tee, Ceylon Orange Pekoe zu 7,80. Macht zusammen 20 Franken und 20 Rappen. Um den Schrecken zu überspielen, sage ich zu der Kellnerin: «Das war der beste Gugelhopf, den ich seit Jahren hatte.» Die Frau schaut mich kurz an und sagt: «Ich weiß.» Und es klingt, als wollte sie sagen: Halts Maul und sei froh, dass du was bekommst.

Als Gegenmaßnahme lasse ich die Speisekarte in meiner Tasche verschwinden. Sonst glaubt mir keiner in Berlin, dass ein Birchermüsli bei Schober nur 11,80 Franken kostet. Dabei können sich immer mehr Schweizer das Leben in der Schweiz kaum noch leisten. In Zürich (330.000 Einwohner) gibt es inzwischen rund 15.000 Sozialhilfeempfänger, jeden Monat kommen etwa 500 weitere dazu. Wenn der Trend anhält, werden in 52 Jahren alle Zürcher von Sozialhilfe leben. Deswegen hat die Zürcher Stadträtin Monika Stocker vorgeschlagen, Sozialhilfeempfänger in der Krankenpflege, in der Stadtreinigung und in Gartenbetrieben arbeiten zu lassen, zu «Billigstlöhnen zwischen 1000 und 3500 Franken».

Wo liegt die Grenze zur Armut?

Den zum Leben notwendigen Rest würde dann das Sozialamt dazu geben. Das ist die Schweizer Variante der Ein-Euro-Jobs, gegen die die Schweizer Gewerkschaften jetzt Sturm laufen und einen Mindestlohn von 4000 Franken (2600 Euro) im Monat fordern. Was in der Schweiz als Existenzminimum gesehen wird, wäre bei uns schon ein ordentliches Einkommen. Und so lautet die aktuelle Frage, über die derzeit in der Schweiz diskutiert wird: Wie viel Luxus darf sich ein Sozialhilfebezüger leisten? Wo liegen die Grenzen der Armut?

Bei einer repräsentativen Umfrage, deren Ergebnisse soeben veröffentlicht wurden, antworteten 90 Prozent der Befragten auf die Frage, ob ein Sozialhilfeempfänger «etwa zweimal pro Woche ein Stück Fleisch essen» sollte (50 Franken) mit einem Ja, 65 Prozent waren dafür, dass er sich «ein Haustier, zum Beispiel eine Katze halten» darf (60 Franken) , rund 26 Prozent fanden es auch okay, dass ein Sozialhilfeempfänger 180 Franken pro Monat fürs Rauchen ausgibt, und immerhin sechs Prozent waren damit einverstanden, dass er sich «Markenschuhe oder Markenkleider» kauft.

Der Präsident der Schweizer Konferenz für Sozialhilfe, Walter Schmid, definiert Armut immer in Relation zur Umwelt. In Afrika gehe es um den Anspruch auf sauberes Wasser, in der Schweiz um Teilnahme am gesellschaftlichen Leben, und dazu würden auch ein Fernseher und ein Handy gehören. Dagegen kann man eigentlich nichts sagen. Mich stört nur, dass von den 100 Franken, die ich am Morgen am Automaten gezogen habe, am Nachmittag kaum etwas übrig ist. Dabei war ich nur einmal essen, hab ein paar Zeitungen und im HanfHaus etwas Schokolade eingekauft. Allerdings auch 14 Franken bei der Gepäckaufbewahrung für zwei Gepäckstücke bezahlt.

Der Rest reicht nicht einmal für eine Fahrkarte vom Zürcher Hauptbahnhof zum Flughafen. Ich setze mich also in den letzten Wagen und hoffe, dass der Schaffner ganz vorne mit dem Kontrollieren anfängt. Es wäre mir peinlich, erwischt zu werden. Eine Viertelstunde später steige ich am Flughafen aus, schweißgebadet, aber glücklich. Ich habe nicht nur sechs Franken gespart, ich habe ein fast perfektes System überlistet. Merci vielmal!

SPIEGEL ONLINE – 24. Mai 2005, 16:27
URL: http://www.spiegel.de/reise/aktuell/0,1518,357344,00.html

Weiter Entdecken