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In der Zauberwelt des Coloma-Rums

Einer der besten Kaffeeliköre der Welt stammt von der Hacienda Coloma in Kolumbien. Vor einigen Jahren begann das Unternehmen der Familie Constain, die gebrauchten Likörfässer zur Veredelung kolumbianischer Rums einzusetzen – mit grossem Erfolg. Ein Besuch.

Die sattgrüne Berglandschaft des Departements Cundinamarca ist die Heimat der «Frau, die verschwindet». Dies ist die wörtliche Übersetzung des aus der Indianersprache stammenden Ortsnamens: Fusagasugá. Eine gute Autostunde von der Hauptstadt Bogotá entfernt und fast 1000 Höhenmeter tiefer gelegen, erhebt sich die 130 000 Einwohner zählende Stadt auf etwas mehr als 1700 Metern über Meer. Das ganzjährige, tropische Andenklima und die reichhaltigen Böden sorgen für eine fast unverschämt reichhaltige Vegetation: kräftige Sonneneinstrahlung, milde Temperaturen und regelmässige, grosszügige Regenfälle. In Fusagasugá spriesst und wächst es, dass Besucher aus europäischen Gefilden sich kaum sattsehen können an den riesigen Bäumen und den tausendfach leuchtenden Blüten, die hier ein müheloses und sorgenfreies Dasein fristen. Gott ist Kolumbianer!

Und so erstaunt es nicht, dass hier in Fusagasugá die Familie Constain ihre berühmte Hacienda Coloma errichtet hat. Das im typischen Stil kolumbianischer Kaffee-Farmen gehaltene, einstöckige, grosszügige Gebäude strahlt den Stolz der Eigentümerfamilie aus. Es glänzt in satten Farben: Das makellose Weiss der Fassade ist durchbrochen mit rot und braun lackierten Balkonen und Fenstern. Vorgelagert ist eine einladende, von Säulen getragene Pergola über einem Boden von rostfarbenem Ziegelstein. Hier empfängt Firmeninhaber Alberto Constain Cenzano zu einem typischen Mittagessen der Region: Ajiaco, eine Hühnersuppe mit frischen Maiskolben, Kapern und Sauerrahm. Im Gespräch erweist sich Alberto Constain ist ein freundlicher, etwas zurückhaltender aber überaus herzlicher Mann von etwa 40 Jahren.

Die Geschichte der Familie Constain ist eng mit der Hacienda Coloma verwoben. Die Kaffee-Farm ist sozusagen die Keimzelle dessen, was sich anschickt, ein internationaler Grosserfolg im Rum-Business zu werden. Vor über sechs Jahrzehnten kaufte Alberto Constain Medina, der Vater unseres Gastgebers, den alle «Don Alberto» nennen, die aus dem 19. Jahrhundert stammende Hacienda. Hier wuchs auch der heutige Firmenchef auf, der mittlerweile in der Hauptstadt Bogotá lebt, von wo aus er die weltweite Expansion vorantreibt. Die Hacienda Coloma ist ein beliebtes Ausflugsziel für Touristen, die hier eine Führung durch die Produktion erhalten und die Produkte in der kleinen tienda direkt erwerben können.

Don Alberto war bis zu seinem Tode im Jahr 2005 ein begnadeter Unternehmer und Grandseigneur. Geld verdiente er, nebst der Kaffeefarm, vor allem im Duty-Free-Business. Er war ein grosser Liebhaber edler Spirituosen und auch einer rituellen Zigarre nach dem Abendessen nicht abgeneigt. Sein Sohn erinnert sich, dass er als kleines Kind die ehrenvolle Aufgabe hatte, dem Vater die Zigarre anzuschneiden und anzuzünden.

Auf Don Alberto geht der geniale Einfall zurück, nicht nur Kaffee herzustellen, sondern – ab den 1980ern – daraus auch einen Likör anzufertigen. Der Kaffeelikör aus dem Hause Coloma ist aus einer Kaffee-Infusion mit Rum hergestellt. In Kolumbien ist er weitherum bekannt und kommt in zwei Fassungen daher: Einer einfacheren Variante, die relativ süss ist, und vor allem für Cocktails verwendet wird. Und die in den Gourmet-Restaurants des Landes hochbeliebte «Reserva Especial», welche den aromatischen Reichtum des kolumbianischen Kaffees in die alkoholische Sphäre überträgt. In Fusagasugá wird vor allem eine milde, aber geschmacklich sehr vielschichtige Arabica-Sorte angebaut. Bis heute stammt jede einzelne Kaffeebohne, welche im Kaffeelikör Verwendung findet, von der Hacienda Coloma mit wenigen Hektaren Anbaufläche.

Rum und Kolumbien – das ist ein delikates Thema. Als weltweit drittgrösser Produzent von Zuckerrohr wäre das Land eigentlich prädestiniert für eine gewichtige und erfolgreiche Rum-Industrie. Seit Menschengedenken liegt das Destillerie-Monopol allerdings bei den Provinzregierungen. Es stellt eine ihrer wichtigsten Einnahmequellen dar. Die Kehrseite davon ist ein ziemlich überschaubares Sortiment, das sich kaum zum Export eignet. Abgesehen von zwei nennenswerten Ausnahmen: Die Marken Dictador und La Hechicera – letztere wurde kürzlich von Pernod Ricard aufgekauft.

An dem staatlichen Monopol biss sich Don Alberto die Zähne aus, obwohl er eigentlich gerne einen eigenen Rum produziert hätte. Dafür blieb ihm aber nur der Weg ins Ausland. Anfangs der 1980er-Jahre erwarb er eine Destillerie in Ecuador. Doch eine auf den Fuss folgende Wirtschaftskrise in dem Land warf das Vorhaben zurück – die Destillerie ging Konkurs.

Dem Traum vom eigenen Rum hauchte Alberto Constain nach dem Tode des Vaters neues Leben ein. Als er vor gut fünfzehn Jahren die Führung des Unternehmens übernahm, begann er mit einem Experiment: Wie würde wohl ein Rum schmecken, den man in den Fässern ausbaut, in denen zuvor die Gran Reserva des Kaffeelikörs gelagert hat? Er nahm Kontakt mit verschiedenen der staatlichen und halbstaatlichen Brennereien auf; gemeinsam mit ihnen verfeinerte er die Rezeptur. Der Rum werde, sagt Constain, nach den Vorgaben von Coloma gebrannt. Nach acht oder fünfzehn Jahren im Burbon-Fass (amerikanische Eiche) bekommt er ein zweites, nur wenige Wochen dauerndes Finish im Coloma-Fass. Die Kaffeenoten, welche Geniesser bei der spanischen Machart (aus Melasse) besonders schätzen, bringt dies in einer betörenden Reichhaltigkeit hervor.

Als Alberto Constain seine Kreation weiterentwickelte, war er sicher: Das ist es! Unternehmerisch habe er, erzählt er, alles auf die neue Rum-Karte gesetzt. Wie aber erschliesst man als kleiner kolumbianischer Produzent den Weltmarkt? Alberto Constain erzählt, dass der Kontakt mit dem französischen Spirituosen-Importeur François-Xavier Dugas die entscheidende Wendung brachte. Im Jahr 2015 schickte ihm Constain seinen kaffee-veredelten Rum. Der Mann war begeistert. Nicht nur die sensorischen Qualitäten überzeugten ihn, sondern auch die Geschichte: Ein Familienunternehmen aus Kolumbien, dem Land, das für seinen Kaffee auf der ganzen Welt berühmt ist, verheiratet gewissermassen die Kaffee-Tradition mit dem Rum-Genuss! Nach solchen authentischen Erfahrungen suchen die Konsumenten. Dugas fragte Constain, wie viele Flaschen er liefern könne? Nun ja, antwortete Constain, momentan habe man ein paar wenige Fässer. Viel zu wenig, befand der französische Interessent. Also baute Constain die Produktionskapazitäten aus. Seit einigen Jahren ist er auf dem europäischen Markt. Mit dem bisherigen Erfolg ist er sehr zufrieden. In Europa finden seine Rums reissenden Absatz. Zur Diskussion steht eine Expansion nach Amerika und nach Asien. Nach dem Ajiaco-Mittagessen verdunkelt sich plötzlich der Himmel. Aus ihm ergiesst sich der für die Gegend typische, nachmittägliche Sturzregen – eine Wohltat für die Kaffeepflanzen von Alberto Constain, deren Früchte den Gaumen von Rum-Freunden auf der ganzen Welt erfreuen.

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