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Bacardi & Kuba

#VERSCHIEDENES #ZIGARREN 21. Juli 2005

In der aktuellen Ausgabe zeigt die Weltwoche die verwobene Geschichte von Bacardi und Kuba auf. Wer sich für mehr als nur die Cigarren aus Kuba interessiert, findet spannenden Lesestoff.

Die Autorin, Ursula L. Voss, hat das Buch «Die Bacardís. Der Kuba-Clan zwischen Rum und Revolution», Campus, 236 S., geschrieben. Erhältlich u.a. bei Amazon.

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Zuckerrohr und Peitsche
Ursula L. Voss

Spanischer Kolonialismus, amerikanische Besatzung, Batista-Diktatur, Enteignung nach der Revolution: Der Bacardí-Clan ist in 140 Jahren mit allem fertig geworden, sein Rum beherrscht heute den Weltmarkt. Was will man mehr? Endlich «Cuba libre»! Mit viel Eis und ohne Fidel Castro.

Wer in diesen Monaten fassadenverliebt durch Antwerpen spaziert, guckt gleich zweimal auf das von einer schwarzen Plastikplane verhüllte Sanierungsobjekt im Herzen der Altstadt. Das erste Staunen gilt dem Mut der Bauträger, die sommerliche Vielfarbigkeit mit sattem Schwarz zu brechen, der zweite Blick trifft dann eher wohlwollend die golddurchwirkte, auf rotem Rund sitzende Fledermaus und den fettgedruckten Satz darunter: «Tonight is another day.» Salopp übersetzt könnte das heissen: «Mach die (vor dir liegende) Nacht zum Tage.» Einen Hinweis auf die Urheber dieser lebensbejahenden Botschaft sucht man vergeblich auf der nachtschwarzen Plastikplane.

Solches Understatement ist neu bei dem Unternehmen, das hinter dem Fledermaus-Logo steht: Bacardi-Martini Ltd. Bisher kannten wir den Marktführer im Rum-Business anders: fröhlich, bunt, aggressiv-erotisch. Palmen an blendend weissen Sandstränden, das Meer so grün, und der Himmel so blau, biegsame gebräunte Mädchenkörper und gut gebaute Kerle. Barbecue-Stimmung bei Sonnenuntergang. Summer-feeling, Summer-dreaming. Und irgendwo im Bild des Rums «Carta Blanca» – jeder Schluck ein Schuss Lebensfreude .

Es war die «SUN SAND AND SEA»-Werbung in den siebziger Jahren, mit der Bacardi den Spitzenplatz in der Spirituosenbranche erklomm. Nach dem Schock der Enteignung im Jahr 1960 eine beeindruckende Leistung. Niemand in der auf Kuba höchst angesehenen Familie hatte nach dem Sieg der Revolutionäre um Fidel Castro damit gerechnet, dass auch die Companía Ron Bacardí S.A. in den Sog der Verstaatlichungen gerissen würde. Niemand war auf ein Leben im Exil eingestellt. Dennoch verliessen bis Ende 1960 fast alle Bacardís die Insel. Zurück blieben Fabrikanlagen und Immobilien im Wert von rund 76 Millionen Dollar.

Es war nicht allein der Verlust des Vermögens, der schmerzte – es war vor allem der Verlust der Heimat. Mit tiefsitzendem Hass verfolgen seither die Alten im Clan die Entwicklun- gen auf Kuba. Über 600 Attentatsversuche hat es seit dem Triumph der Revolution gegeben, wie das kubanische Innenministerium vor kurzem mitteilte – hinter etlichen Anschlägen sollen Bacardís gesteckt haben. Mordkomplotte statt Lebensfreude in Ferienparadiesen? Politintrigen statt Mambo unter Palmen? Der mit Dokumenten aus US-Archiven vertraute Journalist Hernando Calvo Ospina verweist auf US- Senatoren, die mit Bacardi-Geldern ihre Wahlkämpfe bestritten und seither für einen superharten Kurs in der US-Kuba-Politik sorgen. «Alles Lüge», dementiert das Unternehmen. «Propaganda made in Cuba.» Munkeln die Bacar- dís gern im Dunkeln – wie ihr Logotier, die Fledermaus?

Seit über 140 Jahren schmückt das nachtaktive Säugetier die Flaschen der Firma Bacardi. Nicht ohne Stolz erinnern die Erbinnen aus dem Bacardí-Clan gerne daran, dass man die Idee für das Traditionslogo Urahnin Amalia verdanke, der Frau des Firmengründers Facundo Bacardí y Mazó. Der junge Katalane kommt 1830 bettelarm in Santiago de Cuba an, mit der Hoffnung, auf der boomenden Zuckerinsel Kuba sein Glück zu machen. Mehr schlecht als recht läuft der Kramladen, in dem er auch Spirituosen führt – Weine aus Frankreich, Brandy und Sherry aus Spanien. Seine Passion aber gehört dem Rum, im karibischen Raum seit Beginn des 17. Jahrhunderts eines der beliebtesten Getränke. Holländische Siedler auf Aruba waren zum ersten Mal auf die Idee gekommen, die Melasse aus dem heimischen Zuckerrohr mit Wasser und Hefe gären zu lassen – in der Gewissheit, dass sich der Zuckersirup nach einigen Tagen in hochprozentigen Alkohol verwandeln würde. Das Verfahren setzte sich schnell durch, und in kürzester Zeit hatte jede Karibik-Insel und jedes zuckerproduzierende Land in Mittel- und Südamerika seine eigene Geschmacksrichtung. Die Vielfalt der Destilliermethoden und Rezepturen war gross. Mal wurden dem Alkohol Blätter oder Baumrinden zugesetzt, mal Gewürze wie Vanille oder Nelken. Die Rezeptur blieb meist geheim.

Schon früh träumt Immigrant Bacardí davon, den auf Kuba gebrannten Rum, der keinen guten Ruf geniesst, im Geschmack zu verfeinern. Er soll nicht in der Kehle kratzen, sondern milde schmecken und damit auch für die an Luxusgüter aus Europa gewöhnten Kreise der kubanischen Upperclass konsumierbar werden.

Klein fängt alles an. Mit Experimenten in der häuslichen Küche, mit reparaturbedürftigen Destillierkolben in abrissreifen Gemäuern, mit zusammengeborgtem Geld für eine Mindesteinlage bei Gründung des Unternehmens Bacardí y Bouteiller im Jahr 1862. Mit der Firmengründung beginnt die Zeit der gezielten Vermarktung. Gattin Amalia macht den Vorschlag, auf die Rumflaschen der Firma ein Fledermaus-Etikett zu kleben – Wiedererkennungssymbol für die vielen Analphabeten, die es damals in Santiago de Cuba gibt. Amalia beobachtet, dass sich unter den Dachbalken eines Schuppens, in dem die Melasse gärt, eine Fledermauskolonie angesiedelt hat, die sich nachts über die süsse Melasse hermacht. Einen Grund, die Tiere zu vertreiben, gibt es nicht. Fledermäuse galten in der spanischsprachigen Welt damals als Glücksbringer. Das Kalkül der Produzentengattin geht auf. Schon bald wird in den Läden und bei den fliegenden Händlern auf Santiagos Strassen nicht Rum von Bacardí y Bouteiller verlangt, sondern «ron con el murciélago» – Rum mit der Fledermaus.

Auch als längst «fledermausfrei» produziert wird, bleibt das Glück den Bacardís treu. «Carta Blanca Superior», der von Don Facundo entwickelte farblose Rum mit dem milden Aroma, findet schnell Anklang bei der anspruchsvollen Oberschicht des Landes. 1876 wird «Carta Blanca Superior» gar bei einer Weltausstel- lung in den USA prämiert; er ist noch heute eine der begehrtesten Bacardi-Sorten. Als die Firma 1888 den Titel «Lieferant des Spanischen Königshofes» erhält, wäre der Einwanderer Facundo wohl geehrt gewesen. Seine Söhne Emilio und Facundo Miguel hingegen sind vorbildliche kubanische Patrioten. Sie kämpfen für die Unabhängigkeit von Spanien – aktiv gegen die spanische Armee und als konspirative Helfer im Untergrund. Die Brüder Bacardí entscheiden sich noch zu Lebzeiten des Vaters für die klandestine Variante. In den Räumen der kleinen Fabrik verstecken sie zwischen Zuckerrohr- und Melassebottichen Propagandaschriften der Aufständischen, Gewehre und Munition.

Es lebe Don Emilio!

Ab 1877 leiten die beiden Brüder als gleichberechtigte Partner die Firma Bacardí y Cia. Bouteiller hat man inzwischen hinausgeworfen. Facundo Miguel, den der Vater in die Produktionsgeheimnisse eingeweiht hatte – bis heute wird die Rezeptur nur an auserwählte Familienmitglieder weitergegeben –, versucht alles, um den guten Ruf des Rums aus dem Hause Bacardí zu verbessern. Das eröffnet dem älteren Bruder die Möglichkeit, Kontakt zu General Antonio Maceo aufzunehmen, dem Strategen des Unabhängigkeitskrieges, der trotz des Waffenstillstandsabkommens von Zanjón 1878 in den Bergen des Oriente weiterkämpft – mit dem Ziel, die Abschaffung der Sklaverei zu erreichen, für beide Bacardís eine Herzensangelegenheit. Insbesondere der ältere Emilio hatte sich seit seiner Jugend mit den Postulaten der Französischen Revolution identifiziert. Sein Engagement für die Unabhängigkeit wird 1879 mit der Verbannung nach Nordafrika bestraft; erst vier Jahre später darf er nach Kuba zurückkehren.

Auf Emilio Bacardís Patriotismus, auf seine Courage und Unbestechlichkeit berufen sich alle Familienmitglieder, die es für ihre Pflicht halten, an politischen Weichenstellungen mitzuwirken. Auch Clara María del Valle, seit 1999 als Vizepräsidentin in der Fundación Nacional Cubano Americana tätig, begründet ihre Leidenschaft für die politische Lobbyarbeit in Miami, Washington, Genf damit. Sie ist stolz darauf, dass ihr Urgrossvater Emilio Bacardí y Moreau gleich zweimal verbannt wurde, dass dieser Emilio aufgrund seiner Unbeugsamkeit und aufrichtigen patriotischen Gesinnung 1902 von Santiago zum Bürgermeister gewählt wurde – es waren die ersten freien demokratischen Wahlen seit der spanischen Eroberung. Und sie verweist bewundernd auf seine Verdienste als sozialer Reformer, Kunstmäzen und Schriftsteller. Emilio Bacardí liess als erster Eigentum besteuern, von einem Teil der Einnahmen wurden Volksküchen finanziert. Er liess neue Bibliotheken bauen, verbot die Prostitution und beschäftigte Frauen als Angestellte im Rathaus. Am Ende seiner Amtszeit als erster Präsident der 1919 gegründeten Companía Ron Bacardí S.A. schenkte er den Bürgern Santiagos ein Museum – bis heute eine der Attraktionen der Hafenstadt im Südosten Kubas.

Als Emilio Bacardí y Moreau im August 1922 stirbt, wird in Santiago de Cuba zwei Tage lang das öffentliche Leben unterbrochen. Über 40000 Menschen nehmen an der Beerdigung teil, darunter Vertreter der kubanischen Regierung und des diplomatischen Corps, Intellektuelle und Künstler aus ganz Lateinamerika und Europa. Im Heraldo de Cuba heisst es: «Der Tod des grossen Kubaners ist traurig in dieser Zeit der nationalen Unsicherheit, in der Menschen seiner Art so notwendig sind: unabhängig, patriotisch und ehrenwert.»

Was der Bacardí-Clan bis heute ungern erwähnt: Emilio Bacardí war ein Freund und Anhänger von José Martí, dem Nationalhelden im kommunistischen Kuba. Von einer «egalitären Gesellschaft» hatte Martí, Journalist und Schriftsteller, geträumt, frei von Bevormundung durch andere Mächte. Angeklagt hatte er in seinen Reden, die alle mit dem Ruf nach einem freien Kuba endeten (Cuba libre!), aber auch den American Way of Life – die Gewinnsucht der US-Unternehmer und den Protektionismus der US-Aussenhandelspolitik. Und er hatte immer wieder eindringlich vor der neuen Kolonialismusgefahr gewarnt, die nach einer Ablösung von Spanien durch die Amerikaner drohe.

Emilio Bacardí teilt diese Befürchtungen. José Martí führt – nach Jahren in der Verbannung – im April 1895 den neuen Aufstand gegen die Spanier an, fällt jedoch schon wenige Wochen nach Beginn der Kämpfe. Beerdigt wird Martí in Santiago de Cuba. Emilio soll zu jener Zeit Schatzmeister der von Martí gegründeten Revolutionspartei gewesen sein, verantwortlich für die Region Oriente. Sein ältester Sohn dient, knapp 18-jährig, als Leutnant in der Befreiungsarmee und erhält diverse Auszeichnungen für seine Tapferkeit.

«Kuba – das sind wir!», sagte 2001 der damalige Bacardi-Pressesprecher Jorge Rodríguez Márquez, verheiratet mit einer Bacardí-Erbin. Es war das Bekenntnis eines Emigranten zu den familiären Wurzeln einer in alle Winde verstreut lebenden Familie. Als sich die Bacardís 1983 zum ersten Mal nach der Emigration in Acapulco trafen, kannten sich viele nicht mehr. Bis heute schwärmt man von dem Grossereignis, das in bester Stimmung verlief. In den Jahren danach taten sich die ersten Risse im familiären Fundament auf: Fusionsvorhaben wurden von Gegnern vereitelt, Notbremsen gezogen im Hinblick auf einen Börsengang, es gab Auseinander- setzungen zwischen sogenannten Dissidenten und der Mehrheit der Aktionäre. Geeint blieben die Bacardís bloss in einem, dem Hass auf Castro.

Dabei hatte das Unternehmen den Kampf Castros gegen den verhassten Diktator Batista ideell und vor allem materiell von Beginn an unterstützt. Die Bacardís spenden Geld für den Kauf von Waffen, versorgen Journalisten mit wohlwollenden News von der Guerillafront, organisieren und finanzieren Exklusivinterviews mit Fidel Castro und verstecken Rebellen. Als im Juli 1957 der 23 Jahre alte Studentenführer und Mitstreiter Castros, Frank País, erschossen wird, kommt es in Santiago zunächst zu Massendemonstrationen und am Tag nach dem Begräbnis, das die Firma Bacardí bezahlt, zu einem Generalstreik. Mitgetragen und mitorganisiert wird der Protest vom Präsidenten der örtlichen Handelskammer: Daniel Bacardí Rosell, einem Enkel Emilios und Bacardí-Vizepräsidenten.

Nach dem Sieg der Revolution wird auch in der Modelo-Brauerei in El Cotorro, die zum Besitz der Bacardís gehört, ein Fass aufgemacht. Man hat für Fidel Castro, dessen Triumphzug durch das ganze Land führt, ein Siegesessen vorbereitet. Die Enttäuschung bei der Belegschaft ist gross, als der Comandante keinen Zwischenstopp in der Fabrik einlegt. Den für die Brauereien der Familie zuständigen Direktor, Joaquín Bacardí Fernández, stört das weniger: «Es ist das Wunderbarste, was ich je im Leben gesehen oder im Leben erwartet habe. Kuba ist frei, und ich hoffe, dass das lange so bleiben wird.»

Dankbarkeit und Euphorie verfliegen rasend schnell. Anders als erwartet, beteiligt Castro die erfolgreichen Unternehmer nicht an der Regierung. Gekränkt über die Nichtbeachtung ist vor allem José Pepín Bosch, der mit einer Enkelin des Firmengründers verheiratet ist. Seit Beginn der dreissiger Jahre hatte sich Bosch als Manager qualifiziert und stufenweise im Unternehmen nach oben gearbeitet. Nach einem erfolgreichen Zwischenspiel als Finanzminister in der Regierung des Präsidenten Carlos Prío Socorrás war er 1951 endlich am selbstgesteckten Ziel angelangt: Der Aufsichtsrat des Unternehmens wählte ihn nach dem Tod des Schwiegervaters zum Präsidenten – ein Amt, das er bis 1976 ausübte.
Bosch, ein zäher Workaholic mit fotografischem Gedächtnis, sprudelnden Geschäftsideen und einem Hang zu eiserner Disziplin, ist ein Glücksfall für die Bacardís. Kurz vor der Enteignung lässt er die Marke Bacardi auf den Bahamas registrieren – als hätte er vorausgeahnt, was Kuba bevorsteht. Zwar lädt Castro sowohl Bosch als auch Daniel Bacardí Rosell zu seiner ersten Reise in die USA ein; dank ihres wirtschaftlichen Know-hows sollten sie für gute Kontakte zu den US-Wirtschaftsbossen sorgen. Aber schon im Flugzeug kommt es zum Eklat. Bosch weist in einem langen Gespräch Castro darauf hin, dass man Freiheit brauche für die wirtschaftliche Entwicklung und es grundfalsch wäre, die Gewerkschaften im Stile eines Batista zu kontrollieren. Auch freie Wahlen müssten so bald wie möglich stattfinden. «Ich hatte das Wort Freiheit kaum ausgesprochen», erzählt Bosch dreissig Jahre später dem Familienbiografen Peter Foster, «da stand Castro abrupt auf und setzte sich woanders hin. Wir haben nie wieder ein Wort gewechselt.»

Es ist der Beginn einer grossen Feindschaft. Bosch, der bei diesem Flug erkannt haben will, dass es sich bei Castro um einen überzeugten Kommunisten handelt, verfolgt den kubanischen Regierungschef von Stund an mit einem grenzenlosen, fast pathologischen Hass. Schon der erste Versuch, Castro zu entmachten, führt geradewegs in die Arme des damaligen amerikanischen Aussenministers Christian Hert. Dem offenbart Bosch einen abenteuerlichen Plan: Er selbst wolle sich in die Regierungsmannschaft Castros «einschmuggeln», um dann – von innen heraus – den Sturz des Comandante herbeizuführen. Aber der damalige Präsident Dwight D. Eisenhower winkt ab. Noch bestreitet Castro bei allen öffentlichen Auftritten, den Kommunismus auf Kuba einführen zu wollen. Und Politbeobachter vertreten die Ansicht, dass es sich bei der Revolution um einen tropischen Sturm handle – «er tobt und geht vorbei».

Erst als Fidel Castro im Februar 1960 mit der Sowjetunion ein grosses Kredit- und Handelsabkommen abschliesst, in dem die Sowjetunion sich verpflichtet, bis 1964 eine Million Tonnen Zucker aus Kuba zu kaufen, und damit eine Erpressungsmöglichkeit für die Amerikaner entfällt, kommt Bewegung in die US-Aussenpolitik. Eisenhower weist die CIA an, mit der militärischen Ausbildung von Exilkubanern zu beginnen. Nach der Nationalisierung amerikanischen Besitzes – enteignet werden im Sommer 1960 Ölraffinerien, US-Banken, Elektrizitätswerke, Telefongesellschaften, Zuckerfabriken – genehmigt die US-Regierung die Invasion in der Schweinebucht.

Am 14. April 1961 nähert sich die Brigade 2506 der kubanischen Küste in Höhe von Playa Girón – die «Operation Pluto» beginnt. Unter den Invasoren sind auch fünf junge Männer aus dem Clan der Bacardís. Sie überleben zwar den Einsatz zur «Rettung des Vaterlandes», doch die Invasion scheitert. Bis heute ärgern sich all jene Familienmitglieder, die nicht dabei waren. «Ich wollte damals unbedingt mitmachen», erinnert sich Adolfo Comas Bacardí, 60. «Aber mein Vater hat es mir strikt verboten. Käme es heute zu einer Invasion, würde ich nicht nein sagen, wenn mir jemand ein Gewehr in die Hand drückte.»

Im eiskalten Politklima Anfang der sechziger Jahre verschärft sich der eigensinnige Kampf des Bacardi-Präsidenten Bosch gegen Comandante Castro und seine Regierungsmannschaft. Zunächst gilt es natürlich, den verunsicherten Familienmitgliedern eine optimistische Zukunftsperspektive zu vermitteln. Das gelingt der Führung des nun staatenlosen Unternehmens relativ schnell, denn seit den dreissiger Jahren hatte das Management auf internationale Expansion gesetzt. 1931 war eine Fabrik in Tultitlán, ganz in der Nähe von Mexico City, eröffnet worden, und seit Juli 1936 wurde auch in San Juan auf Puerto Rico produziert. In Brasilien gab es seit Beginn der sechziger Jahre eine Fabrik, und in Planung war der Bau einer Brennerei auf den Bahamas. In New York existierte bereits seit 1933 eine Niederlassung. Mit Ende der Prohibition, die dem Unternehmen aufgrund bester Geschäftsbeziehungen zur alkoholschmuggelnden Mafia Riesengewinne beschert hatte, war der Managerwunsch in Erfüllung gegangen, die Marke Bacardi auf dem US-Markt zu positionieren.

Das grosse Chaos, ein deprimierender Beginn bei null nach dem Scheitern der Schweinebucht-Invasion, bleibt also aus. Energiebündel Bosch hat umso mehr Zeit für sein liebstes Hobby: das politische Fädenspinnen in der zweiten Reihe, mit Hilfe von Geheimdiensten und gekauften Killern. Der Weg der Bacardís zurück nach Kuba führt seiner Meinung nach zwangsläufig über Leichen. Erst mit dem Tod des Revolutionsführers Castro und seiner engsten Vertrauten, darunter Bruder Raúl und Ernesto Che Guevara, wäre ein Ende des Exils in Sicht. Hass ist der Motor für sein Handeln, und dieser Hass ist auch heute noch bei den meisten Clan-Angehörigen vorhanden. «Dieser Bastard, wir alle haben uns gewünscht, dass ihn jemand killt», sagt Magdalena Casero, die frühere Kuratorin des Bacardi-Museums in Miami. «Jedes Mal, wenn mein Vater in den sechziger Jahren mit Bosch nach Nassau flog, sprachen sie darüber, wie man ihn am besten umbringen könnte. Wenn es heute passieren würde, ich wäre so froh wie damals. Er ist und bleibt ein Terrorist.»

Die Vizepräsidentin in der Fundación Nacional Cubano Americana, Clara María del Valle, geht allerdings auf Distanz. «Nein, Gewalt ist keine Lösung.» Präzisiert dann aber: «Es wäre perfekt, wenn Castro bald stürbe. Ist der Hund erst tot, dann endet auch die Tollwut, heisst ein kubanisches Sprichwort.» Und 1997 soll die Bacardi-Erbin vor Freude in die Hände geklatscht haben, als bei einem von Exilkubanern gesteuerten Bombenanschlag in Havanna ein italienischer Tourist ums Leben kam und elf Menschen verletzt wurden.

Es ist José Pepín Bosch, der die Representación Cubana en el Exilio (Rece) ins Leben ruft, um mit terroristischen Aktionen Castro wegzubomben. 10 000 Dollar lässt sich das Unternehmen Bacardi die Versuche monatlich kosten. Natürlich reicht die Summe bei weitem nicht aus, um wirkungsvoll zu agieren. Es werden Waffen benötigt, Flugzeuge und Schnellboote. Die Bitten um Geldspenden aus den Reihen der reichen Exilkubaner gehören von Beginn an zu den wesentlichen Aufgaben der Rece. Die Dollars fliessen immer dann reichlich, wenn konkrete bewaffnete Aktionen angekündigt werden, zum Beispiel Sabotageakte gegen kubanische Schiffe in ausländischen Häfen oder die Ermordung der gesamten Führungsspitze auf Kuba. Obwohl die meisten Pläne misslingen, erhält Rece weiterhin massive Unterstützung, auch von der CIA. Dokumente aus dem Weissen Haus – zusammengetragen vom Journalisten Hernando Calvo Ospina – belegen, dass Bacardi-Präsident Bosch selbst die Mafia in seine Mord- und Umsturzpläne einbezieht. 100000 Dollar soll er Syndikatsmitgliedern für die Ermordung Castros angeboten haben. Offenbar zu wenig für die Killer aus der ehrenwerten Gesellschaft.

Doch es fliesst Blut. 1976 stürzt ein Flugzeug der Linie Cubana de Aviación nach einer Explosion vom Himmel, 73 Menschen kommen ums Leben. Tage später werden in Venezuela die Drahtzieher des Terroraschlags festgenommen: Orlando Bosch (nicht verwandt mit dem Bacardi-Boss) und Luís Posada Carriles – beide mit besten Beziehungen zur Rece und zur CIA. Es war der amerikanische Geheimdienst, der Posada Carriles als Berater der politischen Polizei nach Venezuela schleuste. Posada Carriles kämpfte schon in der Schweinebucht, er war Drahtzieher des erwähnten Bombenanschlags in Havanna und wurde 2001 in Panama festgenommen, weil er ein Attentat auf Castro plante. Vor wenigen Wochen flüchtete der «Bin Laden Lateinmarikas» (New York Times) in die USA, wegen seiner Vergangenheit als CIA-Spezi nicht unbedingt zur Freude der Regierung Bush.

Die Ermordung 73 Unschuldiger markiert jedoch einen Stimmungsumschwung in der öffentlichen Wahrnehmung des Kampfes für ein freies Kuba und führt zu einem Strategiewechsel bei der Rece: Sie lässt ab vom «Krieg auf den Strassen der Welt». Zum Schauplatz des Befreiungskampfes wird jetzt die Politik. «Auf Anraten seiner mächtigen Freunde im US-Establishment liess José Pepín Bosch den ehrgeizigen Rece-Vorsitzenden Jorge Mas Canosa an Washingtons Türen klopfen», schreibt Calvo Ospina. «Dort wurde ihm problemlos Eintritt gewährt, denn zwischen der Rece und einigen Republikanern bestanden schon seit Beginn der siebziger Jahre gute Kontakte.» Besonders den Senatoren Jesse Helms, Richard Stone und Dan Burton liegt die Sache der Exilkubaner am Herzen. Durch das Einbringen von Gesetzen, die den Wirtschaftsboykott gegen Kuba verschärfen und jede Entspannung in den amerikanisch-kubanischen Beziehungen verhindern, arbeiten sie ganz im Sinne und meist im Auftrag der im Exil lebenden ehemaligen kubanischen Grossgrundbesitzer, Zuckerbarone und Tabakfürsten.

Gut und Börse

Die Bacardís konzentrieren ihre Aktivitäten seit 1981 auf die Fundación Nacional Cubano Americana (FNCA), auf dem Papier ein Verein mit «wissenschaftlicher, erzieherischer und karitativer Zielsetzung», in Wahrheit die mächtigste Anti-Castro-Lobby in Washington. Die Aufgabe der FNCA war und ist es, finanzielle Zuwendungen an Politiker zu kanalisieren. «Keine andere Familie und kein anderes Unternehmen war mit so vielen Mitgliedern so lange Zeit in diesem Heiligtum der extremen konterrevolutionären Rechten vertreten wie die Bacardís», behauptet der Journalist Calvo Ospina. Zurzeit setzt die FNCA verstärkt auf die Unterstützung oppositioneller Gruppen. «Wir wollen einen friedlichen Wandel auf Kuba», beteuert die Vizepräsidentin Clara María del Valle, «das heisst einen friedlichen Übergang zur Demokratie.» In Kauf genommen wird bei dieser neuen «friedlichen» Strategie aber die Inhaftierung von Dissidenten, denn jede Verurteilung ist aus Sicht der Hardliner in Miami ein Beweis für die menschenunwürdige Politik Castros. Die FNCA braucht, wie es scheint, Märtyrer, um den Hass gegen die kubanische Regierung zu schüren – in der Hoffnung auf einen Volksaufstand.

Was kommt nach Castro? Werden die Bacardís auf die Insel zurückkehren? Es soll in Miami Think-Tanks geben, die seit langem fertige Konzepte für den Tag X erarbeitet haben, den Tag der Wiedereinführung der Demokratie auf Kuba. Ausgebrütet wurden und werden die Szenarien zum Beispiel im Zentrum für kubanische Studien (ECAS) an der Universität in Miami, eine mit öffentlichen und Bacardí-Geldern aufgebaute Institution. Unter denen, die ihre Kindheit und Jugend auf Kuba verbracht haben, gibt es keine Zweifel, dass eine Neuverankerung in der alten Heimat ein Glücksfall wäre. «Die Bacardí-Familie hat keine politische Vision ausser der Hoffnung, nach Kuba zurückzukehren», bekennt 2003 der ehemalige Chef des Unternehmens, Manuel Jorge Cutillas. «Wir brauchen Kuba nicht mehr für unser Geschäft, aber es wäre doch sehr schön, es zu haben… Es wäre die Krönung des Erfolges – als Geschäft.»

Die jungen Bacardís hingegen, die zurzeit in der Geschäftspolitik des Konzerns den Ton angeben, sind in den USA und auf den Bahamas aufgewachsen, in London, Madrid und Toronto, in Argentinien, Brasilien und Panama. Sie denken polyglott. Bacardi-Martini Ltd. gehört im 21. Jahrhundert zur Spitze der Global Player in der Spirituosenbranche. Die Familie, inzwischen auf über sechshundert Mitglieder angewachsen, ist längst keine Not- und Kampfgemeinschaft mehr, sondern eine Ansammlung von Aktienbesitzern mit höchst individuellen Interessen, geeint durch den Wunsch nach möglichst oft gezahlten und möglichst reichlich fliessenden Dividenden.

Der schon lange geplante Gang an die Börse wurde allerdings noch nicht vollzogen. Offenbar fehlt der starke Mann an der Spitze des Unternehmens, der dieses in der Familie seit Jahr- zehnten umstrittene Vorhaben ohne Wenn und Aber durchsetzt. Sollte der Börsengang Wirklichkeit werden, ist das Familienunternehmen Bacardí tot. An Kuba erinnert dann nur noch die golddurchwirkte Fledermaus mit den angewinkelten Schwingen. Sie wird aller Voraussicht nach auch das Zeitalter der Globalisierung überleben und versuchen, der Firma Bacardi Glück zu bringen.

Ursula L. Voss ist Rundfunkredaktorin beim Norddeutschen Rundfunk und Autorin von «Die Bacardís. Der Kuba-Clan zwischen Rum und Revolution». Campus. 236 S., Fr. 43.70

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