Eine Zigarre mit Fidel
Näher als mit dem Buch «Castro’s Cuba» von Lee Lockwood kann man Fidel Castro und dem Geist der kubanischen Revolution nicht kommen. Dazu rauchen wir eine «Fidel Especial».«Castro ist wach, faulenzt, nur mit Hose und Stiefeln bekleidet, auf seinem Bett und pafft eine grosse Zigarre.» Von 1959 bis 1969 begleitete der amerikanische Fotojournalist Lee Lockwood die kubanische Revolution und erhielt Zugang zum inneren Zirkel der Castro-Regierung. Im Jahr 1965 führte er während sieben Tagen ein episches Interview mit dem Máximo Líder. Zunächst schaut Castro zurück: Er erinnert daran, wie sich eine kleine Klasse Privilegierter in Havanna auf Kosten der hungernden Landbevölkerung vergnügte. Er zeigt auf, wie die Ernährung, der Zugang zu Schulen und medizinischen Leistungen im Zentrum der revolutionären Bemühungen stehen. Wir spüren Fidels Überzeugung, dass es ihm gelingen könne, ein ganzes Land zu steuern und aus der Armut zu führen. Er erzählt von einem Landwirtschaftsbetrieb, der unter seiner persönlichen Leitung innovative Anbaumethoden testet. Er erklärt die Landreformen, die Kuba bis dahin realisierte und Kleinbauern Privatbesitz garantieren. Er legt seine Pläne offen für die Zukunft: Eine Agraroffensive von 1960 bis 1970. Ein Schwerpunkt auf die Industrialisierung im darauffolgenden Jahrzehnt.
Das Buch Castro’s Cuba von Lee Lockwood macht das vollständige Interview mit Castro auf über hundert Seiten zugänglich. Dazu enthält es unzählige Fotos und weitere Reiseberichte. Näher an Fidel Castro und den Geist der Revolution kann man heute nicht mehr kommen. Und die Zigarre ist immer dabei. «Schweigend sieht er zu, wie der Rauch nach oben steigt und in unscharfen Schichten um die Glühlampe an der Decke wabert.» Mit Vorliebe rauchte Fidel Castro schlanke Zigarren. An manchen Orten nennt sie der Journalist «Fidel Especial». Gemeint ist damit Fidels persönliche Zigarre, die ihm ursprünglich von seinem Leibwächter präsentiert wurde und später den Namen Cohiba Lancero erhielt.
Die ersten Cohiba-Zigarren fertigte die Manufaktur El Laguito 1966, also ein Jahr nach dem Gespräch zwischen Fidel Castro und dem Journalisten Lee Lockwood. Bis 1979 wurden diese Zigarren nur für Fidel Castro persönlich, die Regierung und als Diplomatengeschenke hergestellt. Die internationale Vermarktung begann im Jahr 1982.
Ganz so alt ist unsere Cohiba-Lancero-Kiste nicht, aus der wir heute eine Zigarre probieren. Das Boxingdate auf der Rückseite der Kiste, das Aufschluss über das Herstellungsjahr geben würde, ist nicht mehr erkennbar. Hinweise für die Datierung der Kiste liefert deren Ausstattung: Ab 1994 zeichnete Kuba Zigarrenkisten mit dem Siegel der Vertriebsorganisation Habanos SA aus. Die Zigarren unserer Kiste tragen Banderolen mit dem Design, das zwischen 1993 und 2003 verwendet wurde. In dieser Periode ist die Produktion unserer Kiste zu verorten. Zu den Merkmalen des Designs gehören zwei weisse Quadrate auf schwarzem Grund über dem Cohiba-Schriftzug, wie Min Ron Nee in der Enzyklopädie postrevolutionärer Havanna-Zigarren festhält. In seinem Standardwerk zeigt Min Ron Nee jedoch auch etliche authentische Bauchbinden mit abweichendem Design und nur einem weissen Quadrat, wie sie auch unsere Zigarren ziert. Wann welches Design eingesetzt wurde, bleibt vorerst offen. Die Gestaltung der Kisten verrät uns, dass es sich um eine Diplomaten-Cohiba handelte, die nicht verkauft, sondern von der kubanischen Regierung verschenkt wurde. Es handelt sich um das originale Cohiba-Design, das von 1969 bis 1989 Verwendung fand, und bis heute für Cohiba-Zigarren genützt wird, welche die Regierung oder Botschafter an Gäste übergeben.
Am meisten über ihre Geschichte verrät uns die Zigarre selber. Sie ist in Cellophan eingepackt, was für die fragliche Epoche authentisch ist. Die Vintage-Havanna ist perfekt gerollt und überrascht mit viel Süsse. Am Anfang erinnert sie uns mit ihrem Geschmack an «Katjes Yoghurt-Gums» – ein etwas ausgefallener Vergleich, der die cremig-fruchtigen Aromen aber perfekt beschreibt. Der Rauch präsentiert sich zu Beginn recht würzig. Es folgen bittere Schwarztee-Noten, welche die Süsse angenehm ergänzen. Die Aromen wirken transparent, was typisch ist für lange gereifte Havannas. Im weiteren Rauchverlauf entwickelt die Vintage-Zigarre Noten von Mandel, Marzipan, Holz und Erde, mit neuen Facetten nach jedem Zug. In ihrem Geschmack verbinden sich Salz, Bitternoten und Süsse. Wir schmecken Tropenholz, Laub und Kokosnoten. Ein eindrückliches Stück Geschichte, eine eindrückliche «Fidel Especial».