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Rum-Revolution

Rum Eminente aus Kuba ist der neue Premium-Rum von Louis Vuitton Moët Hennessy. Ein Besuch in Paris zeigt, wie der Luxusgüter-Konzern mit der kubanischen Ron-Ligero-Tradition bricht.
#RUM #UNTERWEGS 11. Mai 2023

Durch einen sonnigen Innenhof, vorbei an einem fröhlich plätschernden Brunnen, gelangen wir zum Eingang der «Casa Eminente», wo wir freundlich empfangen und auf unsere Zimmer geführt werden. Die Einrichtung beweist Geschmack und Geschichtssinn: Der Schaukelstuhl, Antiquitäten, Kunst und nicht zuletzt eine Bibliothek mit Werken wie «Cuando reinaba Su Majestad el Azúquar» oder dem Jahrbuch des Tennisclubs Vedado 1930 verrät: wir befinden uns in Kuba.

In der Hausbar steht eine Flasche Eminente Rum. Und um diesen dreht sich alles in diesem Haus, das sich hinter einer schweren Holztüre im zweiten Pariser Arrondissement verbirgt. Als Pop-up-Lokal mit Bar und Restaurant bringt die Casa Eminente ein halbes Jahr lang kubanisches Flair in die Hauptstadt Frankreichs – und wirbt auf sympathische Art für eine neue Rum-Marke aus dem Hause Louis Vuitton Moët Hennessy.

«Wir haben keinen Premium-Rum»


Louis Vuitton Moët Hennessy oder LVMH, wie der Konzern meist kurz genannt wird, ist ein Gigant der Luxusgüterindustrie. Zum Portfolio gehören neben den drei Unternehmen, die der Gruppe ihren Namen geben, über 75 Weltmarken. Zum Beispiel Veuve Clicquot, Dom Pérignon, Château d’Yquem, aber auch Modelabels wie Christian Dior oder die Schweizer Uhrenmarke Hublot. Der aktuelle Börsenwert: 500 Milliarden Euro.

«Normalerweise kauft LVMH etablierte Marken», erklärt uns Briac Dessertenne, einer der beiden Gründer von Rum Eminente. «Unser Weg war abenteuerlicher. Wir stellten fest: Wir haben keinen Premium-Rum». Weil der Konzern in diesem schnell wachsenden Segment nicht mitspielte, begann die Suche nach einem erfolgsversprechenden Projekt, bis schliesslich die Entscheidung fiel, eine neue Marke zu gründen.

Zwischen 2005 und 2015 hatte LVMH mit dem «Ten Cane»-Rum aus Trinidad schon einmal einen Ausflug in die Rum-Welt gewagt – und Schiffbruch erlitten. Dieser Rum kam zwar bei Kennern gut an, das breite Publikum verstand ihn aber nicht. Aus diesem Fehler wollte man lernen. Eine Analyse ergab, dass der spanische Rum-Stil die grössten Erfolgsaussichten versprach.

Die Geburtsstunde des Ron Ligero


Als Wiege des spanischen Rum-Stils gilt Kuba. Mit der neuen Technik der Säulendestillation brannten die Destillerien ab dem Ende des 19. Jahrhunderts einen hochreinen Rum mit einer Stärke von 95% vol.. Diese Rums schmeckten, wieder zurück auf Trinkstärke verdünnt, leicht und elegant. Der «Ron Ligero», der leichte Rum, war geboren.

Die Aromen des ursprünglichen Rohstoffs, der fermentierten Melasse, gingen bei dieser neuen Destillationsart weitgehend verloren. Aber weil die Rums nach alter Machart unsauber produziert waren und höchstens bei Seeleuten und Piraten einen guten Ruf genossen, wurde der neue Rum mit Begeisterung aufgenommen. Durch seine neutrale Charakteristik eignete er sich ideal als Cocktail-Rum. Auch eine Tradition für gelagerte Ron-Ligeros entstand. Über die Wahl der richtigen Fässer brachten die kubanischen Rum-Meister den Geschmack zurück in den Rum.

Heute arbeiten kubanische Rum-Hersteller mit zwei Arten von Rohdestillaten: Mit Ron Ligero, der auf 95-96% vol. gebrannt wird und dem sogenannten Aguardiente mit 74-75% vol. Alkohol. Auch das Aguardiente wird mittels der Säulendestillation hergestellt, der Destillationsvorgang aber früher unterbrochen. Aguardiente ist im Vergleich zum leichten Rum deutlich aromatischer. Typische kubanische Rums enthalten heute etwa 8% Aguardiente, um die Vorgaben des  D.O.P. (Denominación de Origen Protegida)-Regelwerks zu erfüllen.

Bruch mit der Tradition


2018 reiste ein Expeditionsteam von LVMH nach Kuba zu «Cuba Ron», um eine mögliche Zusammenarbeit zu sondieren. Die staatliche Firma Cuba Ron kontrolliert die Produktion aller wichtiger Rum-Marken Kubas, darunter Havana Club als Joint Venture mit Pernod Ricard und Santiago de Cuba zusammen mit Diageo.

«Die Arbeitsweise von Cuba Ron erinnerte uns an Hennessy», erzählt Briac Dessertenne. Ein Komitee aus Maestro Roneros überwacht gemeinsam die Qualität und Entwicklung der Produktion. «Hennessy verfolgt eine sehr ähnliche Philosopie der Qualitätsüberwachung.»

Der Maestro Ronero César Marti, das jüngste von zehn Mitgliedern des Maestro-Ronero-Komitees, präsentierte den Franzosen die entscheidende Idee: «Warum brechen wir nicht mit der Ron-Ligero-Tradition und füllen reines Aguardiente ab? Produzieren wir wieder wie vor 120 Jahren, einfach mit moderner Technologie!»

Eine neue Marke entsteht


Die hochprozentigen Rohdestillate sind auch für den Profi zu stark, um sie pur zu degustieren. In der «Destillerie», einem Bereich der Casa Eminente, welcher die Herstellung des Rums zeigt, reiben wir uns damit die Hände ein und riechen. Der Unterschied wird in der Nase sofort deutlich: Der Ron-Ligero wirkt spritig, aggressiv und hat geschmacklich kaum etwas zu bieten. Ganz anders das Aguardiente. Es hat einen warmen Charakter und duftet nach Kaffee, Mandeln und erinnert ausserdem an Kamille.

Die Rum-Entwickler von LVMH waren begeistert von César Martis Idee. Der Bruch mit der kubanischen Ron-Ligero-Tradition versprach eine eigenständige Positionierung, vielleicht sogar einen Eintrag in die Geschichtsbücher! «Zunächst strebten wir einen wirklich kompromisslosen Rum mit 100% Aguardente an», erinnert sich Briac Dessertenne. Dies stellte sich aber nicht als die beste Lösung heraus. Der finale Eminente-Blend hat jetzt einen Aguardiente-Anteil von 70%.

Was noch fehlte: Eine Marke, ein Logo, das Design. Hier schöpften die französischen Luxusgüter-Spezialisten aus dem Vollen. Ein Team, dem auch Kubaner angehören, entwickelte die Idee für den Ron Eminente. Die Marke zeigt die Insel Kuba, wie sie von den Kubanern wegen ihrer Form manchmal auch genannt wird, als «Cocodrilo», als Krokodil. «Es gibt eine Postkarten-Version von Kuba. Die Insel hat aber mehr zu bieten: Über zehn Naturschutzgebiete, über 3000 geschützte Tierarten», sagt Briac Dessertenne. Die Marke Eminente will an diese weniger bekannten Facetten Kubas erinnern.

Seit 2020 wird der Eminente-Rum in zwei Varianten verkauft: Als dreijähriger Eminente Ambar Claro, ein idealer Cocktail-Rum, und als Eminente Reserva 7 Jahre für den puren Genuss. Der Eminente Reserva 7 Jahre schmeckt aromatisch, Kaffee-betont, mit Vanille, Mandeln und holzigen Fassnoten. Die Rums sind zugänglich und leicht süsslich. Transparenz ist Brian Dessertenne wichtig: «Wir arbeiten mit einem moderaten Zuckerzusatz von 6-8gr / Liter.»

Die Produktion in der Destillerie «Agustin Rodriguez Mena» in der Provinz Villa Clara ist in kubanischer Hand. Seit sechs Jahren nimmt Eminente aber Einfluss und ist an der Überwachung der Qualität beteiligt. Inzwischen brachte LVMH eigene Fässer nach Kuba. Auch an zukünftige Premium-Varianten denken die Eminente-Verantwortlichen: «Wir kämpfen für die besten alten Aguardientes der Insel».

Die kubanische Seele


Mit der Casa Eminente in Paris ist es dem Rum-Start-up von LVMH recht gut geglückt, das authentische Kuba einzufangen. Aber wie sieht es mit der auf dem Reissbrett entwickelte Marke Emiente aus? Wir finden die kubanische Seele beim genaueren Hinschauen: Beim jungen Maestro Ronero César Marti, der mit seiner Aguardiente-Idee der kubanische Rum-Geschichte ein neues Kapitel hinzufügen könnte. Oder in den Sitzungen von «Cuba Ron», der staatlichen Rum-Firma, gegründet im Geiste des Sozialismus, am Verhandlungstisch mit dem Grosskapital. Was sich beide Seiten dabei denken, bleibt ein Geheimnis. Sicher ist: Der Luxusgüterkonzern bringt wichtiges Geld und Vertriebspower und bekommt dafür ein Stück des echten Kubas.

Mit seinem hohen Aguardiente-Anteil zeigt Rum Eminente das geschmackliche Potenzial kubanischer Destillate, auch wenn sich die beiden Standard-Abfüllungen mit ihrem zugänglichen Geschmacksprofil eher an ein breites Publikum richten. Rum-Geniesser mit mehr Erfahrung dürfen sich auf zwei geplanten Sonderabfüllungen freuen, die Rum Eminente für dieses Jahr plant.

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