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Organoleptischer Orgasmus

#KAFFEE 18. January 2007

Francesco Illy, bis vor kurzem Geschäftsführer vom Amici Kaffee, hat vor einiger Zeit dem Magazin CIGAR ein Interview gegeben. In einem ersten Ausschnitt spricht Illy über seine Art, Zigarren zu geniessen:

Cigar: Sie sind ja in allem etwas extremer als andere. Sie behaupten gelegentlich, eine Zigarre sei nach dem ersten Zug fertig geraucht.

Illy: Ich weiss, das ist extrem, doch ich nenne das den organoleptischen Orgasmus.

Cigar: Das müssen Sie erklären.

Illy: Sie bringen die Zigarren zum Glühen. Erst wenn Sie glüht, nehmen Sie den ersten Zug. Dieser erste Rauch ist noch warm und nicht heiss und er kühlt auf dem Weg zum Mund noch ab. Und; dieser Rauch ist rein. Der zweite Zug nimmt im Grunde schon Rückstände auf, die der erste Rauch abgelagert hat und er ist schon deutlich wärmer. Wenn dieser erste Rauch Mund- und Nasenhöhlen streichelt, ist das der pure, der wahre Zug. Der organoleptische Orgasmus.

Francesco Illy ist nicht nur im Kaffee-Geschäft zu Hause. Unter anderem bewirtschaftet er einen eigenen Weinberg. Warum Illy findet, dass sich die Genussmittel Kaffee, Wein und Tabak ziemlich ähnlich sind, erfahren Sie im folgenden Abschnitt:

Illy: Wieso verarbeiten dann noch so viele ihren Wein in Chromstahltanks mit vierzigtausend Hektoliter Fassungsvermögen? Mein Wein wird in Holzfässern vinifiziert.

Cigar: Chromnickelstahl ist hygienisch und bakteriologisch unbedenklich, die Verarbeitung geht etwas schneller und einfacher.

Illy: Genau das ist das Problem, alles muss schnell gehen, und dabei geht das wirklich Gute kaputt. Ein Beispiel: Du hast wunderbares Getreide zu Teigwaren verarbeitet, jetzt kommt der langsame Trocknungsprozess und was macht die Industrie? Damit es schnell geht wird hundertzwanzig Grad heisse Luft mit neunzig Stundenkilometer auf die feuchten Teigwaren losgelassen. Und was macht das Getreide?

Cigar: Ich weiss nicht…

Illy: Es poppt. Popcorn. Und wenn die Zelle gepoppt hat, sind die Poren offen und das ganze Aroma geht flöten. Das gleiche passiert bei den industriellen Kaffeeröstverfahren die unter Einfluss von Heissluft und Druck stattfinden. Da kann sich doch das Aroma nicht entwickeln.

Cigar: Wie heisst das so schön zu Neudeutsch? Die Jacobs-Dröhnung.

Illy: Dazu sage ich nichts.

Cigar: Sorry.

Illy: Das gleiche gilt für Zigarren. Der Trocknungsprozess braucht seine Zeit, die Fermentation, die Lagerung des Tabaks. Was passiert mit dem Virginiatabak der in der Drehtrommel mit Heissluft getrocknet wird? Der schmeckt nach nichts, weil man ihm nicht die Möglichkeit gibt, sich zu entwickeln. Ich sage es nochmals, der Mensch muss mit den Wundern der Natur sorgfältig umgehen und die guten Voraussetzungen, die sie uns liefert aufrecht erhalten…
… im Übrigen finde ich es auch einen Blödsinn, wenn einer sagt, ich habe einen grossen Wein gemacht, ich habe eine grosse Zigarre gemacht, ich habe einen grossen Kaffee gemacht. Wer hat es gemacht?

Cigar: Ricola?

Illy: Die Natur, wir können ihre Produkte nur nutzen und so weiterverarbeiten, dass wir ihre Vorgaben optimal erhalten.

Das Original-Interview stellt CIGAR freundlicherweise zum Download zur Verfügung. Sie finden es hier als .pdf-Datei.

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