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Raritäten aus dem Aging-Keller

Die Reifelagerung kubanischer Zigarren führt zu einem verfeinerten Geschmack. Der Tabak verliert
Nikotin, wird eleganter und harmonischer. In der neuen Aging-Abteilung im Manuel’s finden Liebhaber Jahre und Jahrzente gereifte Havannas – von der Super-Rarität bis zur zugänglichen Vintage-Zigarre für den Einsteiger.

Wer regelmässig Havannas geniesst, entdeckt bald eine besondere Eigenschaft des kubanischen Tabaks: Er lebt im Humidor weiter. Zigarren aus Kuba reifen und verändern ihren Geschmack. Ich hatte mein diesbezügliches Aha-Erlebnis schon als junger Mann. Nachdem ich den Reiz der Havannas entdeckt und zu Hause einen Humidor eingerichtet hatte, reiste ich mit dem Zug nach Zürich und kaufte bei Zigarren Dürr meine ersten Havanna-Kistchen: Bolivar und Cohiba und ein kleines Format von Romeo y Julieta. Während mir die Bolivar Belicosos Finos einiges abverlangten und die Cohiba Panetelas vorzüglich mundeten, schmeckten mir die Romeo y Julietas überhaupt nicht. Die bitteren Zigarren mit einem grasigvegetalen Geschmack wanderten weit nach unten im Humidor – und gingen vergessen. Zwei Jahre später dann die grosse Überraschung: Die Bitterstoffe waren weggezaubert, die Zigarren schmeckten plötzlich ganz wundervoll.

Dass kubanische Zigarren in der Kiste reifen, war schon im letzten Jahrhundert bekannt. Zino Davidoff, der in seinen Lehr- und Wanderjahren zwei Jahre in Kuba verbracht hatte und später seine eigenen Havanna-Zigarren produzierte, wies in seinem «Zigarren-Brevier» von 1967 auf diese Eigenart des kubanischen Tabaks hin: «In aller Stille altert die Havanna wie ein edler Tropfen, und wie ein edler Tropfen erreicht sie eines Tages – der Zeitpunkt schwankt – ihre höchste Vollendung. In diesem Zustand verharrt sie eine Weile, dann vergeht sie und verliert, sehr langsam allerdings, ihr Aroma.»

Im Buch «Eine illustrierte Enzyklopädie der postrevolutionären Havanna-Cigarren» präsentierte der Hong-Kong-Chinese Min Ron Nee im Jahr 2005 der Zigarrenwelt nicht nur seine überaus eindrückliche Sammlung alter Havannas, sondern auch eine eigene Aging-Theorie. Auch Nee verglich die Reifelagerung mit jener von grossen Weinen aus dem Burgund oder dem Bordeaux. Havanna-Zigarren durchlaufen gemäss Nee drei Phasen: In der ersten Phase, die bei milden Zigarren zwei bis fünf Jahre, bei kräftigen bis 15 Jahre dauern kann, baut der Tabak Nikotin und störende, als scharf empfundene Töne ab. In der zweiten Phase – Nee bemisst diesen Zeitraum auf fünf bis 25 Jahre – baut der Tabak Tannine ab. Auch die aromatische Intensität sinkt. Nee beschreibt das Geschmacksbild als «klassisch-elegant». In Phase drei entwickelt sich schliesslich eine neue, «göttliche» Raffinesse und Komplexität.

DAS ABENTEUER BEGINNT

Min Ron Nees faszinierendes Buch weckte in der Zigarrenwelt ein neues Interesse für gelagerte Zigarren. Nur blieben alte Havannas, zehn oder zwanzig Jahre gelagert, für die meisten Geniesser ein sehr theoretisches Konzept. In London oder Hong Kong oder auf Auktionen wurden hie und da alte Zigarren feilgeboten. Händler, die kubanische Zigarren systematisch lagerten, gab es aber nicht. Als wir 2014 in Zürich unseren Laden eröffneten, erkannten wir darin eine Chance. Abkürzungen gibt es in diesem Geschäft nicht. Aging braucht Zeit. Wir akzeptierten diese Prämisse und begannen mit dem Aufbau eines Lagers. Hierfür gründeten wir eine separate Firma – mit einem finanzkräftigen Partner an Bord. Ein solcher war unabdingbar, schliesslich bedeutete Phase eins des Projekts: acht Jahre lang einkaufen und investieren, ohne Erträge zu erwirtschaften. Jahr für Jahr wanderte ein Teil unsere Havanna-Zigarren in unseren Keller.

Auch rechtlichen Fragen mussten wir klären. Um die jahrelange Lagerung mit Miet- und Kapitalkosten zu finanzieren, müssen sich gereifte Zigarren später über dem ursprünglichen Verkaufspreis verkaufen lassen. Das Problem: In der Schweiz ist die Tabaksteuer an den Verkaufspreis gebunden. Wer Zigarren teurer verkauft, hinterzieht Steuern. Wir besprachen unsere Idee mit den zuständigen Behörden. Uns wurde beschieden, von so etwas habe man noch nie gehört habe. Das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit erteilte uns schliesslich eine Sonderbewilligung zur Nachversteuerung unserer Zigarren.

Für unsere Sammlung setzten wir verschiedene Schwerpunkte: Erstens konzentrierten wir uns auf limitierte Havannas, darunter Ediciónes Limitadas, Reservas und Gran Reservas. Sie gehören heute zu den begehrtesten Vintage-Zigarren auf dem Markt. Nicht nur, weil die Verfügbarkeit streng limitiert ist. Auch die erstklassige Tabakauswahl dieser Sondereditionen und die dunklen Maduro-Deckblätter der Ediciónes Limitadas prädestinieren sie für die Reifelagerung. In den Aging-Keller wanderten auch Zigarren, die zum Beispiel durch die Einstellung der Produktion plötzlich zu Raritäten wurden. Drittens wählten wir eine Reihe von beliebten Klassikern für die Reifelagerung aus: darunter Partagás Serie D No. 4 und E No. 2, Romeo y Julieta Wide Churchills oder Montecristo No. 2 und Edmundo.

SCHLARAFFENLAND FÜR MIKRO-ORGANISMEN

Die Zigarren sind im Keller eingelagert. Was passiert nun mit dem Tabak? Während viele Geniesser die Effekte der Reifelagerung im Kleinen beobachteten, und Zino Davidoff oder Min Ron Nee auf systematische Art und Weise, bietet die Wissenschaft kaum Erklärungen oder gar eine solide Aging-Theorie. Tabakforschung an Universitäten findet kaum noch statt. Erkannt wurde das zunehmende Interesse am Thema aber in Kuba. Das kubanische Tabakforschungsinstitut in San Antonio de los Baños forscht seit einigen Jahren dazu. Die bisherigen Untersuchungen belegen, dass stickstoffhaltige organische Substanzen – inklusive Nikotin und Ammoniak – mit zunehmendem Alter abnehmen. Die Stärke der Zigarre vermindert sich mit dem Abbau des Nikotins, das Aroma wirkt komplexer und balancierter, der Rauch weicher.

Doch wie genau passiert die Magie? Bei der Reifelagerung handelt es sich um einen sogenannten Fermentationsprozess. Wie bei der Gärung, bei der aus Zucker Alkohol entsteht, findet auch bei der Fermentation von Tabak ein Umbau von chemischen Molekülen statt. Sind bei der Gärung Hefepilze die Treiber, lassen sich bei der Tabakfermentation sowohl Pilze als auch bakterielle Mikroorganismen nachweisen. Diese Mikroorganismen ernähren sich aus komplexen Verbindungen der Tabakpflanze – zum Beispiel von Nikotin – und zersetzen sie. Didier Houvenaghel beschreibt in seinem Buch «The Cigar. From Soil to Soul» weitere chemische Prozesse, die am Wunderwerk der Tabakreifung beteiligt sind: die Hygrolyse, die durch das Wasser in den Zellen eingeleitet wird und zu einem Umbau und der Zersetzung von chemischen Verbindungen führt. Sowie oxidativen Reaktionen, die von Sauerstoff angestossen werden.

Die Reifelagerung steht aber erst ganz am Ende einer langen Reise, die nach der Ernte in der Trocknungsscheune beginnt. Bei der Trocknung – die Kubaner fassen die hier involvierten biochemischen Prozesse unter dem Begriff «curar» zusammen – verliert das Tabakblatt einen Teil seines ursprünglichen Wassergehalts. Erst durch die richtige Feuchtigkeit und Wärme verändert das Tabakblatt seine Farbe, wird braun und erhält die Anlagen, um später den charakteristischen Tabakgeschmack zu entwickeln. Trägt das Tabakblatt sein neues braunes Kleid, schmeckt es süsslich und ist reich an Nikotin. Rauchen kann man den Tabak in diesem Stadium noch nicht. Der Geschmack wäre scharf und viel zu stark. Erst die nun folgende Fermentation domestiziert den Tabak. Für diese Prozedur werden die Tabake befeuchtet und zu meterhohen Stapeln aufgeschichtet. Dies setzt eine chemische Transformation in Gang, die Verbindungen im Tabak umbaut. Der feuchte und warme Tabak ist ein Schlaraffenland für Mikroorganismen, welche sich nun austoben und munter durch die Moleküle fressen. Dabei setzen sie eine erhebliche Energie frei, die in Form von zusätzlicher Wärme messbar wird.

Die Transformation, die der Tabak bei dieser Fermentation durchläuft, ist besonders drastisch. Die freigesetzte Wärme zeugt davon. In der Luft der Fermentationshäuser liegt ein stechender Ammoniak-Geruch. Mit dem Öffnen der Stapel und frischer Luft endet die Prozedur. Manche Blätter werden nach einer Ruhephase ein zweites oder gar drittes Mal fermentiert. Die kubanischen Spezialisten wenden dabei ihr über Generationen gelerntes Wissen an. Der Tabak ist nun grundsätzlich genussbereit, allerdings immer noch in einer sehr rauen und ungeschliffenen Art, gleich einem Rohdiamanten.

Der erste Feinschliff erfolgt bei der Reifelagerung des Tabaks. Sind Feuchtigkeit und Temperatur für die Lagerung günstig, lebt und arbeitet der Tabak weiter. Beziehungsweise die Mikroorganismen, die im Tabak wohnen. Der Tabak fermentiert erneut, der Umbau findet jetzt aber deutlich langsamer und sanfter statt. Ist die Reifelagerung abgeschlossen – leichte Tabake reifen in Kuba etwa sechs Monate, kräftige Tabake mehrere Jahre –, entstehen daraus in den Manufakturen der kubanischen Hauptstadt unsere geliebten Havannas.

Der Tag seiner Verarbeitung ist für den Tabak ein Schock. Damit sich die Tabakblätter gut verarbeiten lassen und sie elastischer werden, befeuchten die Zigarrenroller sie erneut mit etwas Wasser. Nach dem Rollen, dem Pressen und dem Anbringen des Deckblatts dürfen sich die fertigen Zigarren im «Escaparate», dem Lagerraum der Zigarrenmanufakturen, erholen. Die Befeuchtung der Tabake löst eine Art Mini-Fermentation des Tabaks aus. Die Zigarren schmecken in diesem Stadium scharf und sind nahezu ungeniessbar. Die Zigarren sind «fiebrig» (Zino Davidoff), sie erleben die sogenannte «Sick-Phase». Die Zigarrenmarke Rafael Gonzales empfiehlt seinen Kunden in einem Text, der auf jeder Kiste abgedruckt ist, die Zigarren entweder frisch nach der Produktion oder dann erst ein Jahr später zu rauchen. Tatsächlich dauert die Sick-Phase je nach Art der Tabake bis zu einem Jahr. Zum Glück ist das Produktionsdatum jeder Havanna bekannt. Das sogenannte Boxing-Date auf der Rückseite der Kiste gibt darüber Auskunft und wird vom erfahrenen Aficionado stets konsultiert.

Während die Tabake vor ihrer Verarbeitung mit gleichen Tabaken lagerten, setzt jetzt die Reifung der fertigen Zigarren ein. Die kubanischen Tabakforscher können zeigen, dass in dieser Phase eine «Homogenisierung» der einzelnen Blätter stattfindet. Die Tabakblätter und Aromen «verheiraten» sich. Besonders gut gelingt dies, wenn die Zigarren dicht an dicht lagern, zum Beispiel in grossen Kabinetten à 50 Stück. Die lange Reifelagerung im Humidor verändert die Zigarren schliesslich auch in ihrer Struktur. Auch das zeigt die Forschung aus Kuba. Die Umbauprozesse im Tabak führen zu einem besseren Zug. Auch fühlen sich jahrzehntealte Havannas oft hart an. Der alte Tabak ist aber nicht ausgetrocknet, nur kann er weniger Feuchtigkeit aufnehmen.

WIE MAN RICHTIG LAGERT

Sauerstoff, Temperatur und Feuchtigkeit bestimmen die Geschwindigkeit des Reifeprozesses. Viel Sauerstoff, hohe Temperaturen und viel Feuchtigkeit lassen den Tabak schneller reifen. Allerdings hat sich bei Sammlern mit der Zeit die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Reifung besser gelingt und geschmacklich überzeugendere Resultate liefert, wenn sie langsam und schonend, also bei eher niedrigen Temperaturen und Feuchtigkeitswerten erfolgt. Davidoff of London, einer der wenigen Spezialisten für gelagerte Havannas, treibt die Verlangsamung der Reifung mit Lagertemperaturen von 16 Grad und einer relativen Luftfeuchtigkeit von 60 Prozent auf die Spitze. Zigarren aus anderen Reifekellern zeigen, dass auch mit höheren Werten gute langfristige Ergebnisse erzielt werden. Der deutsche Humidor-Spezialist Marc André fand in Langzeit-Experimenten heraus, dass die Stabilität der Lagerbedingungen für das Ergebnis wichtiger ist als die exakte Konfiguration von Temperatur und Feuchtigkeit. Geniesser, die ihre Zigarren im kleinen Rahmen lagern, sollten dabei besonders auf die Stabilität der Feuchtigkeit achten. Die Zigarren im Manuel’s-Aging-Keller lagern seit 2014 bei 18 Grad und 65 Prozent relativer Luftfeuchtigkeit.

PREISE UND MÄRKTE

Der neue Aging-Humidor im Manuel’s ist mit dem klassischen Humidor verbunden. Präsentiert wird ein Querschnitt aus unserem Aging-Keller. Jetzt zahlt sich die langfristige Planung aus. Wird ein Kistchen verkauft, können wir es durch eine weitere gereifte Kiste aus unserem Keller ersetzen. Von unseren Standardformaten ruhen Kisten aus allen Jahrgängen im Humidor. Damit wurde unsere ursprüngliche Vision Realität: Möchte ein Kunden zum Beispiel eine Partagas Serie D No. 4 geniessen, kann er aus allen Jahrgängen ab 2014 wählen.

Die lange Lagerung hat ihren Preis. Als Basis für die Preisberechnung dienen die Kosten. Berechnet man diese korrekt mit Miete, Löhnen usw., verdoppelt sich der Preis einer Zigarren nach etwa acht Jahren Lagerung. Damit bleiben die gelagerten Havanna-Schätze zugänglich. Manchmal, und insbesondere bei Raritäten gibt es aber auch einen Marktpreis. Wer vor ein paar Jahren den richtigen Riecher hatte und Cohiba Behikes gekauft hat, darf sich über eine Wertsteigerung von mehreren hundert Prozent freuen. Jüngst wurden Auktionen immer populärer. Zu den führenden Häusern gehört C.Gars aus London. Spitzenpreise erzielen kubanische Limited Editions. Für den Kauf einer Kiste Cohiba Sublimes aus dem Jahr 2004 ist heute eine fünfstellige Summe einzuplanen. Bei Käufen auf Auktionen ist zu beachten: Es fallen weitere Kosten durch Kommissionen an. Je nach Standort können Versand- und Zollkosten den Endpreis beeinflussen. Meist bleibt auch unklar, woher die Zigarren stammen und was sie in den langen Jahren der Lagerung erlebten. Hier bieten die Zigarren aus dem Manuel’s-Aging-Humidor eine andere Sicherheit. Sie stammen vom offiziellen Schweizer Habanos-Importeur Intertabak, sie haben unser Haus nie verlassen und die Lagerung wurde lückenlos überwacht.

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