Erfolg und gute Laune: Caffè Mauro aus Kalabrien
Caffè Mauro ist Marktführer in Süditalien und Sizilien. «Tostatura lenta» heisst das Verfahren, mit welchem Mauro den Bohnen auf schonungsvolle Weise die charakteristischen, süditalienischen Aromen entlockt. Zu Besuch am Firmensitz in Villa San Giovanni.Villa San Giovanni, wo Caffè Mauro seinen Sitz hat, ist Italienreisenden als Brückenkopf zu Sizilien ein Begriff. Hier legen die Fähren ab, die zwischen dem Festland und der Insel pendeln. Sizilien mit dem Vulkan Ätna ist auch vom Firmengelände von Caffè Mauro jederzeit sichtbar. Die Rösterei, Warenlager und Administrationsgebäude liegen auf einem prächtigen Anwesen mit 40’000 Quadratmetern Umschwung, Oliven und Orangenbäumen und einem riesigen Zierbrunnen. Vielleicht liegt es an dieser einmaligen Aussicht, dass bei unserem Besuchs alle Mitarbeiter gut gelaunt sind und immer bereit für ein Spässchen. Und immer schwingt ein enormer Stolz mit, ein Teil dieser Firma zu sein, die sich in einer wirtschaftlich gebeutelten Region so gut behauptet.
Demetrio Mauro gründete das Unternehmen kurz nach dem Zweiten Weltkrieg und bot seinen Kaffee in Einzelverpackungen an. Ein Novum für Italien, das den Grundstein für den Erfolg legte. Caffè Mauro produzierte zunächst im Zentrum des Städtleins Reggio Calabria. 1987 bezog das Unternehmen den heutigen Firmensitz.
Die Innovationskraft hat Mauro bis heute bewahrt. Das Logo, die Verpackungen, sogar die Kaffeemischungen entwickeln sich regelmässig weiter. Geht das manchmal sogar zu weit und zu schnell? «Veränderung ist wichtig, sie garantiert eine konstante Verbesserung», sagt der Chief Operating Officer Valerio Chinè, der uns durch das Unternehmen führt. Das Wachstum habe keinen Einfluss auf die Qualität, ist der Betriebschef stolz. Bei anderen Röstereien passiere das, aber nicht bei Caffè Mauro. Und manchmal hört Caffè Mauro auch auf den Ruf der Kunden, die sich alte Mischungen zurückwünschen. So feierte neulich die beliebte Prestige-Röstung in der silbernen Verpackung ihr Comeback.
Das neue Packaging stellt das Mischverhältnis von Arabica und Robusto in den Mittelpunkt und gibt detailliert Auskunft über die Herkunft der verarbeiteten Bohnen. «Wir wollen möglichst transparent sein», erklärt uns der Firmenleiter. Dass es Caffè Mauro damit ernst ist, beweist das Unternehmen bei unserem Besuch. Wir dürfen alles sehen und alles fragen. Zum Beispiel, wie Mauro mit der enormen Inflation umgeht. Die Rohstoffe, Verpackungsmaterial aber auch der Rohkaffee hätten sich seit der Covid-Krise um 40 Prozent verteuert, so Chinè. Bewusst habe sich Caffè Mauro entschied, alles zu tun, um die Preisaufschläge so niedrig wie möglich zu halten. Bisher stiegen die Mauro-Preise um 10 Prozent. Bewegen sich auch die Löhne im gleichen Umfang? Die Mitarbeiter seien grundsätzlich privilegiert, da sie gleichen Löhne wie im Norden verdienten, während die Lebenshaltungskosten niedriger seien. Aber ja, das Leben werde teurer, sagt dazu Exportmanagerin Elisa.
«Hier wirst Du das Geheimnis von Caffè Mauro finden», verspricht Valerio Chinè beim Gang durch die nächste Tür. Sie führt zur Qualitätssicherung. Diese umfasst eine Vielzahl von Posten: Das Rohkaffee-Cupping, bei dem jede Charge vor und nach dem Kauf sensorisch geprüft wird und den Teströster, der die Röstungen der grossen Trommelröster simuliert. Das Verpackungsmaterial wird geprüft, mit dem «Mastersizer» die Grösse der Kaffeekörner im gemahlenen Kaffee. «Seit wir zurückdenken können musste Caffè Mauro nur ein einziges Mal ein Produkt zurückrufen: die Schokolade eines Zulieferers», so Valerio Chinè.
Wir lernen Guiseppe kennen, der zuvor an der Universität an der Weiterverwendung von kleinen Abfallstücken der Kaffeebohne forschte, die beim Röstvorgang anfallen. Caffè Mauro übernahm den Wissenschaftler und fördert ihn weiter. «Es ist uns wichtig, möglichst vielen jungen Menschen eine Perspektive zu geben», sagt Elisa. «Allzu viele verlassen unsere Region Richtung Norden.»
Caffè Mauro pflegt das tostaturolento-Röstverfahren, das langsame Rösten, was Mauro von Industrie-Röstern unterscheidet. Diese rösten den Kaffee bei hohen Temperaturen manchmal nicht länger als drei Minuten. Der Röstvorgang bei Caffè Mauro dauert zwischen 15 und 17 Minuten. Dadurch, erklärt uns der Betriebschef, können sich die Aromen richtig entfalten, und die Bohnen seien auch im Inneren richtig geröstet.
Während der Röstvorgang schonend vor sich geht, erreichen die Dimensionen der Rösterei durchaus industrielle Ausmasse. Drei Röstmaschinen rösten pro Durchgang 300 Kilo Kaffee, etwa fünfzehn Mal am Tag. Die 14 Silos für den Rohkaffee haben eine Kapazität von 680 Tonnen. Alles wird von einem Kommandozentrum aus überwacht, das uns mit seinen Knöpfen und Lämpchen an ein Atomkraftwerk erinnert – oder an die Simpsons, lacht Elisa.
Caffè Mauro röstet mindestens bis zum zweiten Crack; dieser tritt ein, wenn Öle aus dem Inneren der Kaffeebohnen austreten. Das Bohnenbild ist dunkel, ölig, aber nicht schwarzverbrannt. Mauro gehört zu jenen Firmen, welche den Aufwand betreiben, alle Bohnen einer Mischung separat zu rösten. Der Röstgrad ist immer relativ, lernen wir zurück im Qualitätslabor. Die Deluxe-Röstung läuft bei Mauro unter «mittel», der Special Bar 20/80 hingegen als «dunkel». Optisch unterscheiden sich die Bohnen tatsächlich deutlich. Beide Röstungen erreichen aber den zweiten Crack, bestätigt Chinè. Nach dem zweiten Crack entscheiden wenige Sekunden über das perfekte Röstprofil.
Warum hat sich die dunkle Röstart in Süditalien durchgesetzt? Im Süden wurde immer so geröstet, weiss Valerio Chinè: «Vielleicht mögen wir hier im Süden die Bitternoten. Das gilt generell für die mediterrane Welt, auch in der Türkei finden wir diesen Röststil.» Und trinkt man den Espresso in Italien mit oder ohne Zucker? Das Verhältnis liege wohl bei 50:50, schätzt der Chef. «Aber für unseren Kaffee braucht es keinen Zucker. Er hat eine natürliche Süsse!» sagt Elisa, und strahlt.