Wie Caffè Manaresi die Espresso-Bar erfand
Roberto Manaresi eröffnete 1898 eine Bar mit neuartigem Konzept: Die Gäste tranken ihren Espresso im Stehen. Der Kaffee der Rösterei schmeckt heute noch so wie vor 100 Jahren.In Florenz, der Wirkungsstätte von Michelangelo, da Vinci und Boticelli, gründete Roberto Manaresi im Jahr 1898 das Unternehmen Caffè Manaresi. Auf dem Weg zur Rösterei schlängelt sich das Taxi erst durch die von Touristen überfluteten engen Gassen der im Mittelalter gewachsenen Stadt, vorbei am Ponte Veccio, bis die Stadtgrenzen erreicht sind und wir das Unternehmen in einem Industriegebiet etwa 30 Minuten südlich von Florenz finden. In dieser Firma, die heute 12 Mitarbeiter beschäftigt und die in dritter Generation von Alessandra Manaresi geführt wird, ist die Zeit stillgestanden.
Fleissige signoras bedienen die Verpackungsmaschinen und füllen die drei Mischungen ab. Der Röstmeister zerrt 60 Kilogramm schwere Kaffeesäcke auf sein Wägelchen, rollt sie wenige Meter um die Ecke, wiegt sie ab, während in der Drehtrommel die Bohnen rösten und immer intensiver duften. Dann gibt es ein kleines Büro, durch eine Glaswand getrennt, mit einem Computer, einer Sekretärin und einem Chefpult, an dem der Patron Roberto Manaresi, Sohn des Firmengründers, sitzt.
«Die Turiner haben die Maschinen erfunden, wir die Art und Weise, wie die Italiener ihren Kaffee trinken», erzählt Roberto Manaresi. In der Via De› Lamberti, neben der Kirche von Orsanmichele eröffnete 1898 das Caffè Manaresi mit einem neuartigen Konzept: Die Leute tranken den caffè im Stehen an der Bar. Das Caffè de ‹Ritti war erfunden. Gegen das kapitalintensive Bar-Geschäft – viele italienische Röstereien rüsten Bars mit Maschinen aus und binden sie so an das Unternehmen – entschied sich Roberto Manaresi bewusst. Die Rösterei verkauft ihre Produkte heute hauptsächlich über den Detailhandel direkt an italienische Haushalte. Dreissig Prozent der Produktion geht in den Export: Nach ganz Europa und auch nach Afrika.
Heute sei das Geschäft einfacher und schwieriger zugleich, sagt Alessandra. Die Kommunikation mit den Kunden sei einfacher geworden, die Kundenwünsche aber immer schwieriger zu verstehen. Deshalb mache man ganz einfach weiterhin alles so, wie vor 100 Jahren. Zum Glück! Was alle Kunden von Caffè Manaresi bekommen, ist ein sehr traditioneller, handwerklicher und mit Liebe produzierter Caffè. Bei Caffè Manaresi gibt es keine Forschung, keine Marketing-Pläne, keine Wachstums-Ziele. Stattdessen setzt das Unternehmen auf Werte und Tradition. Hier sind wir sehr nahe am italienischen Espresso.
Roberto Manaresi ist stolz auf seinen Kaffee, der seit 100 Jahren unverändert schmeckt. «Wenn sich der Rohkaffee verändert, verändern wir die Mischungen», sagt Tochter und Firmenchefin Alessandra. Eine Weltkarte mit unzähligen Stecknadeln zeigt, wo Manaresi ihren Kaffee bezieht. «Robusta» sei der Körper des Kaffees, ohne ihn gehe es nicht. Deshalb hat auch die Röstung mit der goldenen Verpackung, traditionell das Aushängeschild vieler italienischer Röstereien, einen Robusta-Anteil von «maximal 20 Prozent».
Vom Röstmeister bis zur Verpackerin stellt sich jeder stolz hinter die machina und macht dem Besucher einen caffè. Ohne das Kaffeepulver exakt zu dosieren, einfach mit Gefühl. Auch die Postbotin, die während unseres Besuchs vorbei kommt, nimmt die Einladung auf einen Espresso gerne an und findet: «È meravoglioso questo caffè».